Schrie unser lieber Grönemeyer in der 80ern ins Studiomikrofon und stellte schon damals die Frage, die sich eine Frau so gut wie nie zu stellen braucht. Doch der Mann, das vermeintlich stärkere Geschlecht, ist stets auf der Suche sein Rollenbild in der Gesellschaft zu man(n)ifestieren und zu definieren. Die letzten Jahre entwickelte sich für mich das Mannsbild vom gepflegten Familienvater zum Schweizer Armeetaschenmesser, das alle lebenswichtigen Funktionen bündeln soll. Wir Männer können Alles. Wir brauchen keine Handwerker, bei denen wir 12 Wochen auf einen Termin warten. Wir machen es einfach selbst. Wird ja nicht so schwer sein. Ein paar Video Tutorials später renovieren wir dann das Haus mit teuren Markengeräten aus dem Baumarkt, die Mann „unbedingt braucht“, aber die danach im Keller verrosten.

Optisch ist der junge Mann eine Mischung aus Neandertaler und Trapper. Als ich noch Mitte Zwanzig war, war eine rasierte Brust voll im Trend. Heute darf der Mann sich ein Fell zulegen, wo er will. Ein Vollbart überwuchert das Gesicht des modernen Mannes, an den er nur seinen Barbier lässt, der auf einmal wieder Saison hat in unserer westlichen Welt. Herrensalons sprießen aus dem Boden, wie Löwenzahn, und werden zum Treffpunkt junger, tätowierter Männer, die dort am helllichten Tag Whiskey saufen und Zigarre rauchen. Flanellhemden, LKW-Fahrer Mützen und Bluejeans trägt das starke Geschlecht jetzt. Man hat das Gefühl als wären wir in Kanada und nicht im Schwarzwald. Fehlt nur noch die geschulterte Doppelaxt in der einen und der erlegte Biber in der anderen Hand. 

Zu meiner Freude ist der Waschbrettbrauch kein Must-Have mehr, sondern eher ein Extra. Jedoch ist der Mann um die Dreißig trainiert und muskulös. Bei seinem Gang darf sich aber nicht zeigen, dass er Rasierklingen unter den Achseln trägt. Kein Bodybuilder. Ein mit Maß geformter Männerkörper, der Sicherheit und Standfestigkeit suggeriert.  

Der junge Mann von heute soll kernig sein, Ecken und Kanten haben, und ist reich an Testosteron. Zumindest auf den ersten Blick. Vielleicht ist das auch die Antwort auf das immer stärker werdende weibliche Geschlecht. Der innere Drang wieder größere Kontraste zu setzen zwischen Mann und Frau. Ohne Konfrontation, der wir so und so gerne aus dem Weg gehen. Nein, wir hassen sogar feminin-maskuline Auseinandersetzungen. Dann lieber Rückzug. Ist besser als Auszug. Wenn die Frau also mehr Macht bekommen will, dann ziehen wir uns einfach wieder in den dunklen Wald zurück und kümmern uns um die Grundbedürfnisse wie Hütte bauen, Feuermachen und Jagen. Nur einmal im Jahr werden wir wieder auftauchen und für einen ganzen Tag den Mann raushängen lassen. Dabei öffentlich zur Schau tragen, wie stark unser Geschlecht wirklich ist. Mit einem Schnapsglas um den Hals, einem Bollerwagen voll Bier und schlecht gesungenen Liedern.