Er begegnet uns jedes Jahr, meist schon im Oktober in den Supermarktregalen, wo er zwischen Lebkuchen und Spekulatius auf die kauffreudigen Eltern, Tanten, Onkels, Opas und  Omas wartet. Er ist das ein Sinnbild der Frömmig- und Genügsamkeit. Sein Gedenken am 6. Dezember gilt als eines der wichtigsten Feste in der Vorweihnachtszeit und zeigt, dass noch nicht alle Bräuche aus den USA in Deutschland eingezogen sind und er im Ranking der Kinder noch vor seinem Kollegen vom Nordpol steht. Es gibt nicht viele Dinge, die ich aus meiner Kindheit noch lebhaft vor Augen habe. Aber ich bin mir sicher, dass sich viele von uns an diesen Tag erinnern, an dem er immer kam und aus seinem goldenen Buch vorlas, was eigentlich nur Mama und Papa wissen konnten. Oft ist dieser Mann auch die letzte Rettung, wenn die elterliche Pädagogik nicht zu funktionieren scheint. Er, der mit seiner tiefen, aber einfühlsamen Stimme die Kinderaugen zum Staunen bringt. Eine große Gestalt, die von Draußen aus dem Wald kommt und das ganze Jahr nichts Besseres zu tun hat, als uns Kinder zu stalken oder zu beschatten. Denn nur so, kann er jede Unart, jeden Streich, jede Boshaftigkeit wissen, die man als Kind über das Jahr so anstellte.

Dabei hatte er es in meiner Jugend noch schwerer, denn es gab keine Handys, Tablets oder Laptops, die er anzapfen konnte. Nein, er musste seine Engelchen in jedes Haus schicken, um uns Kinder auszuhorchen. Er pfeift auf die Datenschutzgrundverordung und plaudert vor versammelter Nachbarschaft über all unsere Macken und Bosheiten. Aber auch die guten Taten werden natürlich in seine Jahres Analyse eingewoben und erörtert. Am Ende seiner Inventur wird zusammengezählt und abgewogen, welche Belohnung oder Bestrafung die richtige ist, um den kleinen Knirps moralisch und anständig auf das nächste Jahr vorzubereiten. Klug ist der, der noch ein Gedicht oder ein Lied vortragen kann, wenngleich die Qualität des Vortrags nicht entscheidend ist, sondern der Wille zählt. Denn so kann man seinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen und die Rute vermeiden. Also eine ähnliche Vorgehensweise wie in unserer Politik. Die Rute schwingt er aber nicht selbst. Seine weißen Handschuhe macht er sich da nicht dreckig. Für diese Arbeit hat er eigens einen Knecht aus den dunkelsten Ecken der Stadt angeheuert, der durch sein Auftreten schon Angst und Schrecken verbreitet. Ich dachte als Kind allerdings, dass das sein Bodyguard sei, der Ihn vor den richtig bösen Kindern beschützen soll. Und so hat jeder von uns eine eigene Erinnerung an diesen Mann, dem ich diesen Text gerne widme. Auch wenn ich heute der Kirche in welcher Form auch immer nicht angehöre und das Nikolausfest oft nur wie ein Kindermärchen rüber kommt, so muss ich ein kleines Dankschön loswerden, denn Du, lieber Nikolaus, hast meine Leben beeinflusst und es vor vielen Jahren mit Anstand und Moral gefüllt.