Die Bürger der schwarz rot goldenen Republik sind gerettet. Die überdimensionale Corona Glaskuppel, die uns und vor allem unsere Grundrechte die letzten Wochen in Gefangenschaft genommen hatte, wird endlich gelüftet. Endlich kann der Deutsche einem seiner liebsten Hobbys nachgehen, das er sich trotz Pandemie niemals nehmen lassen würde, dem Reisen.

Und so strömen die Inlandstouristen in Massen an die Donauquelle, die nur ein paar hundert Meter von mir entfernt liegt. Ich sitze am Fenster mit einem Tässchen Kaffee und gebe die Autokennzeichen in die Suchmaschine ein, die an unserer Wohnung vorbeiziehen. Einige Städte habe ich meinem Lebtag noch nicht gehört. Der Schwarzwald scheint in diesem Jahr ein sehr beliebtes Reiseziel zu sein, neben der Ostsee natürlich. 

Es ist ein sonniger Tag und wir entscheiden, das Selbige zu tun, wie all die Touristen. Wir fahren in den Schwarzwald nach Schönwald, statten Heidis Familie einen Besuch ab und nehmen noch ein paar feine Eier vom deren Hof mit nach Hause. Zwischen Vöhrenbach und Hammereisenbach gurkt, wie kann es auch anders sein, ein Combi mit Münster Kennzeichen vor uns her. Mit ganzen 60 km/h schleicht das Verkehrshindernis aus dem Norden auf der Strecke, die ich im Schlaf kenne. Ich rufe: „Fahr zu! Hier ist hundert, Alter!“ Doch das scheint dem Flachlandtouristen nicht zu stören. Er schaut genüsslich nach links und rechts, deutet auf die grünen Berge und lässt sich durch Nichts aus der Ruhe bringen. Mittlerweile hängt auch schon ein Traktor an unserem Heck. Hinter ihm ein aufgemotzter 5er Golf mit VS Kennzeichen, der hin und wieder zum Überholen ausscheren möchte. Jedoch ist die Strecke zu kurvig. Das merkt auch der Münsteraner und drosselt seine Geschwindigkeit lieber auf 50 km/h runter. Heidi beobachtet, wie mein Kopf schon eine leichte Röte zeigt. „Warum machen wir´s denn nicht wie die?“ fragt sie mich. „Ich fahr doch schon 50!“ Sage ich. „Nein, lass uns doch auch die schöne Landschaft genießen.“ 

Das ist etwas was ich an meiner Frau hasse, denn in solchen Dingen hat sie immer Recht. Wir entscheiden, unsere Heimat heute aus den Augen eines Touristen zu sehen. Das Hupkonzert hinter uns blenden wir einfach aus und beobachten die an uns vorbeiziehenden Wälder. Kurzerhand biegen wir nach links zur Linachtalsperre ab und laufen den kleinen Rundweg um den Stausee, wie die etwa hundert anderen Touristen. Doch anstatt sich darüber aufzuregen, erinnern wir uns an die vergangen Reisen, in welchen wir die schleichenden Mietwagen Touristen waren, die die Einheimischen zum Wahnsinn trieben, weil wir keinen Linksverkehr gewohnt waren und an jedem Aussichtspunkt anhalten mussten, um ein Foto zu knipsen.

Gleichzeitig kehrt in mir ein Hauch von Stolz ein, der mich begreifen lässt, dass es ein Geschenk ist, dort zu leben, wo Menschen gerne Urlaub machen.