Heute möchte ich allen Adrenalinsüchtigen einen wiederentdeckten Extremsport vorstellen, der es noch diesen Frühling in die Jochen Schweizer Geschenkebox schaffen wird.
Du bist eine entspannte Persönlichkeit? Dich bringt nichts aus der Ruhe? Selbst ein Sprung aus dem Flugzeug ist wie Fahrradfahren für dich? Dann habe ich hier den ultimativen Härtetest für Dich: Kuchen kaufen. Und zwar sonntags um viertel nach drei.
Du hast gehört, es gäbe da ein Café, das habe nicht nur die besten Kuchen, sondern auch riesige Stücke. Wie früher, als ein Kuchen nur achtmal angeschnitten wurde, anstatt wie heute sechzehn. Der Schwarzwälder liebt große Kuchenstücke. Da nimmt er gerne den langen Weg aus der Stadt ins 15 Kilometer entfernte Mistelbrunn auf sich.
Bereits der Weg dorthin ist dank des Feiertages die erste Geduldsprobe. Sonntagsfahrer. Obwohl dir bewusst ist, dass du gerade auch zu jenen gehörst, fällt es Dir schwer ruhig zu bleiben, während vor dir ein garagengepflegter VW Jetta Baujahr 1982 fährt. Das Überholen kannst Du dir abschminken, denn der Weg zum Kuchentraum ist eine schmale Landstraße ohne Mittestreifen. Und so tuckerst du mit 57 km/h und denkst dir: „Der will bestimmt auch ins Café.“
Dort angekommen, beobachtest du den Jetta, wie er dir mit drei Anläufen den letzten Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Egal, du parkst einfach auf dem Gehsteig, denn Du willst ja nur ein paar Stückchen Kuchen kaufen für zu Hause.
Noch vor dem älteren Pärchen, das aus dem Jetta aussteigt, spurtest du durch die Eingangstür und stellst dich in die wartende Meute kuchensüchtiger Menschen. Da alle Tische belegt zu sein scheinen ist es drin warm, sehr warm. Die Garderobe quillt über und das Gemurmel der Leute zeigt, dass sich hier zum größten Teil Einheimische niedergelassen haben. Endlich stehst du vor der Kuchentheke, dem heiligen Schrein. Wie ein Altar wird er von jedem Gast begutachtet. Denn der prüfende Blick von Oma Lotte auf die Plexiglascheibe, hinter der sich der Kuchenschatz befindet, wird wie ein Ritual von allen hier im Raum praktiziert. „Bestellt wird am Tisch.“ Ordnet die Dame, die die Kuchen anschneidet, den Kuchen Junkies an. Die Worte „laktosefrei“ und „vegan“ gibt es hier nicht. Du willst vorsichtig wissen, ob es hier auch Kuchen zum Mitnehmen gibt. „Ja, das dauert aber.“ Wird dir klar und ohne Umschweife geantwortet. Das liebe ich an unseren Schwarzwälder Frauen: klare Ansagen.
Plötzlich spürst du, wie ein Mann dich von hinten packt und auf die Seite schiebt. Es scheint den wohl letzten freien Tisch ergattert zu haben, den er mit seiner Jacke und Hut sofort markiert. „So jetzt bitte!“ signalisiert die Kuchendame, dass du endlich dran bist. Vor Schreck fällt dir auf, dass der Obstkuchen bereits leergefegt wurde. Mit Schweiß auf deiner Stirn musst du nun eine neue Kuchenkombination zusammenstellen. Du spürst, dass Kuchenmesser im Nacken. Sie fragt: „Wieviel Stückle?“ „Ähm, Acht.“ Antwortest Du.
Strahlend verlässt du die laute Kuchensauna und steigst ins Auto. Ein Herr schreit Dir noch hinterher: „Des isch es Trottwar und kein Parkplatz!“ Auf der Flucht erklingt „Aber bitte mit Sahne“ im Autoradio und du bist stolz. Stolz darauf, unversehrt deiner Familie Kuchen nach Hause zu bringen.