Leidet Ihr auch an Frühjahrsmüdigkeit? Ich finde immer wieder verwirrend, dass der Frühling einen so fertig machen kann, obwohl er genau das Gegenteil verkörpert: Die Vögel sind voller Tatendrang und bauen ihre Nester. Die Bäume sammeln ihre ganze Kraft und bilden Knospen. Der Löwenzahn steckt sein Köpfchen langsam aus dem Boden. Und was mach ich? Ich bin einfach nur müde, antriebslos und alles andere als motiviert. Dabei stapelt sich die Arbeit auf dem Schreibtisch, denn auch die hat keinen Winterschlaf gehalten, sondern führt unweigerlich dazu, dass ich mich mal wieder vollkommen überfordert fühle. Jeder Anruf, jede E-Mail wird so lange, wie möglich als „ungelesen“ markiert und nach hinten geschoben. Es müsste so etwas wie eine Energietankstelle geben, an welcher ich Kraft tanken kann, wann immer ich es nötig habe. Und siehe da, im Internet werde ich schnell fündig. Ich muss mich nur auf die Suche nach meinem Kraftort machen. Laut Wikipedia ist das ein Ort, dem eine „meist positive psychische Wirkung im Sinne der Beruhigung, Stärkung und Bewusstseinserweiterung zugeschrieben wird“. Es gibt bekannte Kraftorte, wie Pyramiden in Ägypten oder Stonehenge in Großbritannien. Doch Auslandsreisen gestalten sich für mich in der aktuellen Lage etwas schwierig. Ich brauche einen Kraftort, der gut zugänglich ist. Die Suche geht weiter und ich lese, dass tiefe Entspannungszustände zum Beispiel durch Fantasiereisen als Kraftquelle genutzt werden können. Also könnte Meditation ein Weg zur verlorenen Energie sein. Dann ab auf die Yogamatte, Schneidersitz und Augen zu. Daumen und Mittelfinger berühren sich. So macht das nämlich Rafiki der Mandrill Affe in Disneys „der König der Löwen“. Es läutet an der Tür. Der Paketbote: „Paket für Nachbar.“ Ich nehme es entgegen. Bevor ich mich wieder auf die Matte setze, wage ich einen kurzen Blick auf das Handy. Vier neue Nachrichten. Und schon ist die Meditation für die Katz. Ich schlussfolgere, dass diese Methode mir zu viel Disziplin abverlangt. Ich setze mich mit dem letzten, übrig gebliebenen Schokoladenosterhasen auf das Sofa und grüble vor mich hin. Während ich dem Hasen die Ohren abbeiße, durchzieht mich ein stechender Schmerz im hinteren Backenzahn. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Der perfekte Kraftort ist der Zahnarztstuhl. Was im ersten Moment bescheuert klingt, ist nach längerer Betrachtung gar nicht so abwegig. Ich erinnere mich, dass ich beim Zahnarzt sogar schon mal eingeschlafen bin. Der Zahnarztstuhl ist ein Ort, an dem ich weder reden, noch zuhören muss. An dem mich niemand stört. Nur bohrt. Aber dafür gibt es ja die kleine „Alles-egal-Spritze“ vom Onkel Doktor. Die Unbeweglichkeit unterstützt den Moment der völligen Hingabe. Ich kann endlich loslassen, die Augen schließen und während einer ganzen Zahnarztsitzung zur Ruhe kommen, um wieder Kraft und Energie zu tanken.