„Anna, lass Hansi los!” fordert die in ein Sommerkleid gekleidete Katja von ihrer Freundin, die einen lebendigen Hamster über einen Mixer hält. Untermalt von dramatischer Musik und dem flehenden Quietschen des Tieres erwidert die perfekt geschminkte Anna: „Erst, wenn Du mir sagst, wo du das Kleid herhast!“ Sie stellt den Mixer an. Die Messer rotieren unter dem Hamster. Katja antwortet: „Von H*E24.“ „Lügnerin!“ erwidert Anna mit entschlossenem Blick und lässt das Tier mit den ängstlichen Knopfaugen noch tiefer in den Mixer sinken. Katja greift zur Fernbedienung und schaltet H*E24 ein, wo das „wunderschöne Sommerkleid für unschlagbare 79,99 €“ zu sehen ist. Der Hamster ist gerettet, jedoch scheint unsere Fernsehlandschaft verloren. 

Ich traue meinen Augen und Ohren kaum, wenn ich seit langem mal wieder die Glotze einschalte. Ich muss gestehen, dass ich das Free TV so gut es geht meide. Vor allem wegen der elend langen Werbeunterbrechungen, die Jahr für Jahr krasser werden. Was macht ein Vibrator-Werbespot eines Erotikversandhandels im Nachmittagsprogramm? 

Wo ist das Fernsehen hin, das ich einmal kannte? Wann sind die großen Show Formate gestorben, die einem einen Fernsehabend für die ganze Familie bescherten? Stattdessen zappe ich zwischen langweiligen Reality Seifenopern und mehrstündigen Casting Show hin und her. Letzteres meist moderiert von Matthias Opdenhövel, welchen ich für seine Sportmoderationen bei den Öffentlich-Rechtlichen sehr schätze. Leider enthüllt er auch die maskierten Sänger*innen auf Pro Sieben. Was mit „Deutschland sucht den Superstar“ begann, findet in „the Masked Singer“ nun seinen Tiefpunkt. Diese Casting Shows sind im Grunde eine einzige Werbepause, die gelegentlich von Gesang und bunten Kostümen unterbrochen wird. Nach fast vier Stunden weiß der Zuschauer dann endlich, wer ganz toll singen kann und einen mehrjährigen Knebelvertrag mit der Medienagentur unterschrieben hat. 

Wer Comedy und was Lustiges sucht, den empfehle ich Verkaufssender. Hier werden wirklich alle Produkte angeboten, die das Konsumherz begehren. Vom wunderschönen Sommerkleid bis zur exklusiven Pralinenaschachtel, die es nur „hier und heute zu kaufen gibt“. Natürlich streng limitiert für nur 39,99 €. Natürlich bequem bezahlbar in 12 Monatsraten zu je 3,34 €. Kann man sich doch leisten. So wie 89 Cent mehr pro Haushalt, die sich die öffentlich-rechtlichen Sender nun wünschen, damit ich mich am Nachmittag auf ARD und ZDF weiterhin von einer Kochshow zur nächsten hangeln darf.

Liebe Fernsehzuschauer, unser Flimmerkasten ist verrückter denn je. Und dank uns, die sich Tag für Tag vom Plasmabildschirm unterhalten lassen, werden sie das auch bleiben. Die Fernsehwelt wird immer wieder Grenzen überschreiten, aufrütteln und um jeden Preis auffallen. Im Dschungel der scheinbar unendlichen Programmwahlmöglichkeiten auf unserer Fernbedienung empfinde ich dabei mehr Qual als Wahl. Und so verbleibe ich mit einem guten Rat, den uns Peter Lustig schon damals bei „Löwenzahn“ am Ende jeder Sendung mit auf den Weg gab: „Abschalten.“