Markenopfer

15. Juni 2019

 

Als ein Kind der 90er Jahre, muss ich offen gestehen, dass wir damals nicht gerade die haute coiture trugen. Nein, ich möchte sogar behaupten, dass dieses Jahrzehnt dank Schnulliketten und Nick Carter Frisuren nicht unbedingt zu den glorreichsten der Mode- und Style-Geschichte gehörte. 

Wir sind immer noch dabei, zu Hause auszumisten und ich finde in meiner „Es war ein einmal“-Kiste das schwarze, durchlöcherte und zu oft getragene Nirvana Shirt, das mich -aus welchem Grund auch immer- dazu drängt, angezogen zu werden. „Bauchfrei war in den 90ern ja auch im Trend.“ Höre ich Heidi sagen, während sie mich dabei beobachtet, wie ich erfolglos versuche das Shirt über meinen Bauchnabel zu ziehen. Optisch gesehen, ist es doch auch so, dass die Jugend damals wie heute ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt. Als Klavierlehrer sehe ich es täglich an meinen Schülern. Wenn Torben-Matteo wieder mit einem coolen Pailletten Wende Shirt vor mir sitzt. Will er lieber ein Teddybär auf seiner Brust oder einen Piraten Totenkopf? Mit einem kurzen Wisch hat sich Torben-Matteos T-Shirt und Laune geändert. Und er wechselt während seiner 30-minütigen Klavierstunde öfters die Laune. Da lob ich mir doch die guten alten Motto Shirts, die wohl nie aus der Mode sein werden. Wenn Jennifer-Britney in die Klavierstunde kommt, mit dem T-Shirt: „Zickenalarm“ weiß ich auf jeden Fall, dass ich sie heute lieber nicht danach fragen sollte, ob sie geübt hat. Ich warte auch immer sehnsüchtig auf die englisch sprachigen Motto Shirt meiner Schüler. Da wird aus einer Klavierstunde kurzer Hand ein schneller Englisch Unterricht. Denn meist wissen die Kids nicht, was da auf Ihren Shirts steht.
Es ist schon erstaunlich, wie viele wandelnde Litfaßsäulen heut zu tage durch die Stadt laufen. Und hier möchte ich nicht nur von unserer Jugend sprechen. Es ist auch immer wieder in Mode, ein riesen Logo von einer Firma auf dem T-Shirt zu tragen, die in Fernostbilliglohnländern Menschen ausbeutend produzieren lässt. Mit einem Papp Kaffee Becher von einer ebenso fragwürdigen Firmenkette bewaffnet, schreiten die Großstadtgrazien mit Sonnenbrille, obwohl es bewölkt ist, über das Kopfsteinpflaster. Das macht unsere Modeindustrie seit Jahrzehnten ganz clever. Wir Menschen trägen das Markenlogo stolz zur Schau und zahlen auch noch dafür. Dabei sollte es genau anders herum sein. Wir sollten dafür Geld kassieren. Aber nein, je größer das Logo, desto besser. Man muss ja auch zeigen, was man sich leisten kann. Dabei muss jeder, der zum Beispiel auf Instagram ein Logo zeigt, sei es bewusst oder unbewusst, das Bild klar als Werbung kennzeichnen. Stichwort: Schleichwerbung. Und mir wird klar, dass sich die Werbeindustrie immer wieder in die Hirne Ihrer Käufer schleichen wird, solange wir es zulassen. Ich würde lieber ein schickes T-Shirt mit dem Logo meines heimischen Bio Metzgers oder Gemüsehändlers zu Schau tragen, als Konzerne zu unterstützen, die nur auf Grund einer perfekt funktionierenden Marketing Maschine uns zu Markenopfern machen. „Lende gut, alles gut. Dein Landmetzger.“ Wäre zum Beispiel ein super Motto Shirt.

Am einfachsten wäre es doch, den ganzen Unsinn mit der Markenschau einfach zu lassen. Und wenn doch, dann tragt mit Stolz soziale Projekte auf Euren Shirts, Mützen oder Jacken. Macht Werbung für die, die es wirklich brauchen.