19. Oktober 2019

Krieg der Viren

 

Das ganze Jahr fürchten wir uns vor den ersten Lebkuchen und Schokonikoläuse im Supermarkt, die wieder viel zu früh im Regal stehen. Doch da gibt es in den dunklen Monaten noch eine Sache, die angsteinflößender und gefährlicher nicht sein könnte: Der Männerschnupfen. Jedoch scheint dieser harmlose Begriff etwas irreführend zu sein. Denn meist handelt es sich dabei um eine hochgradig ansteckende Erkältung, die den Mann für mehrere Tage ans Bett oder Sofa fesseln kann. Da liegt er nun flach, das arme Wesen, abgehungert und schwach. Mit Wollsocken, Trainingshose, Hoodie, Schal und Wintermütze mummelt sich der Mann in mehrere Schichten aus Decken ein, so dass nur noch das Gesicht zum Vorschein kommt. Als würde er sich auf nächste Eiszeit vorbereiten. Ein leidiges und ständiges Stöhnen verrät, dass er das Lazarett nicht im Schlafzimmer, sondern wieder im Wohnzimmer bezogen hat. Dort ist ja auch der Fernseher. Während er zwischen Hartz Vier TV, Sport und Dokumentationen wechselt, wird die Couch somit zum Krankenbett nebst dem Beistelltisch, welcher mit den üblichen Waffen gegen die Erkältung fast einzubrechen scheint. Eine Thermoskanne, mehrere Tassen, eine Flasche Wasser, mehrere Gläser. Mann soll ja auch viel trinken. Diverse Hustensäfte und Arzneien, ein Glas Honig, benutzte und frische Teebeutel, zwei Fieberthermometer, denn eins davon könnte ja kaputt sein, eine mit einem Handtuch bedeckte Schüssel mit Kräuter-Aufguss zum Inhalieren. Alles drängelt sich auf dem viel zu kleinen Wohnzimmertisch. Das ganze Zimmer riecht nach Kamille, Thymian, Salbei und dem beliebten Zwiebelsaft. Im Raum verteilt liegen benutze Papiertücher wie Tretminen, die von einem unaufhörlichen Krieg gegen die Viren erzählen. Unter ständiger Erwähnung der Symptome beschreibt der Mann seinen Krankheitsverlauf detailliert und im wehleidigen Ton: „Jetzt sitzt der Schnupfen hier in der Stirn.“ „Es fängt schon an zu Kratzen im Hals.“ „Ich habe bestimmt schon 40 Grad Fieber, fühl mal.“ So wird der Partner den ganzen Tag zur Krankenschwester abgestempelt und sollte sich ausschließlich mit dem Patient beschäftigen. Nur gelegentlich gibt es eine Pause, wenn er in seinen genesenden Dornröschenschlaf fällt und endlich Ruhe einkehrt. Kaum wieder wach, wird wieder literweise Hühner- und Gemüsebrühe verschlungen.

Mittlerweile sind die Taschentücher aufgebraucht und es werden Klorollen zum Naseputzen neben dem Sofa gestapelt. Eine Männererkältung gleicht einem inszenierten Theaterdrama. Dabei gibt es Studien, die zeigen, dass das weibliche Geschlecht tatsächlich bessere und aggressivere Waffen gegen Viren besitzt, als der Mann. Dank dem Hormon Östrogen reagiert das weibliche Immunsystem schneller und effektiver auf Krankheitserreger. Ob das stimmt oder nicht, lassen wir mal dahingestellt. Es ist allerdings eine plausible Erklärung dafür, warum wir Männer ein wenig oder eher viel mehr leiden, als Frauen. Und sind wir Männer doch mal ehrlich: Wir inszenieren ihn gerne: den Krieg der Viren.