11. Mai 2019

Jeder Tag ist Muttertag

 

Als Sohn einer Floristin, werden Dir als junger Mann viele Dinge in den Schoß gelegt. Unter anderem die Tatsache, dass eine Schnittblume, welcher Art auch immer, eine effektive Waffe für uns Menschen ist. Denn als Universal Werkzeug gibt es nebst Schweizer Taschenmesser nichts Effektiveres, als einen Strauß roter Rosen. Sei es als Dankeschön, Entschuldigung oder als Liebesbeweis. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass es drei Tage im Jahr gab, an welchen ich den ganzen Tag im Blumenladen bei Mutter sein durfte und musste. Während Sie und Ihre Kolleginnen die Umsätze des Jahres machten und dabei mehrere Flaschen Sekt vernichteten. Valentinstag, Tag der Frau und Muttertag. Ich lag im Kinderwagen an der Kasse und beobachtete die Menschen, die sich mit Schnittblumen eindeckten, um Ihrer Mutter zu zeigen, dass Sie ihm oder ihr was bedeutet. Ich höre noch bis heute die Worte „Papier oder Folie“ in meinen Ohren. Als ich älter wurde fing ich an, mir die Kunden genauer anzuschauen. Da gab es die eine Seite, die schon mit dem Satz: „Einen Muttertags Strauß für zehn Mark, bitte.“ kamen. Oft im Business Anzug gekleidet, mit dem Autoschlüssel in der Hand und ständig auf die Uhr guckend. Manche kamen, schauten sich mehrere Minuten die Schnittblumen und Ihre Preise an und kauften am Ende doch nur eine Rose. Die Menschen, die am Muttertag die großen Sträuße kauften, gab es natürlich auch, doch die konnte man an einer Hand abzählen. So scheint der Muttertag für mich bis heute eine Pflichtveranstaltung zu sein, die Ihren Ursprung beim Verband Deutscher Blumengeschäfte findet. Vielleicht ist es auch Indiz dafür, dass wir zu oft vergessen, woher wir kommen und was uns geprägt hat. Wir brauchen einen Tag im Jahr, der uns daran erinnert, dass wir selbst der Grund dafür sind, dass eine Frau 9 Monate auf ihren heißgeliebten Prosecco verzichten muss. Dass Sie in dieser Zeit von Akne und Übelkeit geplagt wurde. Sich an einem Tag hässlich und am gleichen Tag wunderschön fand. Wegen uns ist Papa damals an unserem Geburtstag über jede rote Ampel gefahren und riskierte seinen Führerschein, damit unsere Mama rechtzeitig im Kreissaal ist. Über viele Jahre beziehen wir Mamas Leistung und nehmen dies als selbstverständlich an. Wir sollten jedoch jeden Tag nur einen kurzen Moment daran denken, dass nicht wir der Grund sind hier auf dieser Welt zu sein, sondern unsere Mutter. Mit diesem Gedanken steige ich in mein Auto, fahre ins Blumengeschäft, kaufe eine Rose und höre wieder dieses Lied aus meiner Jugend in meinem Ohr, das mich stets an sie erinnert: „Sie sieht durch die Wolken die Sonne, sie stellt sich hart in den Wind, Sie ist nie zu bequem, sie hat mir gezeigt, wie Leichtigkeit gelingt.“ Danke, Mama.