Entschleunigt im Auto

 

Ich muss zugeben, dass ich beim Autofahren wie die meisten Deutschen relativ angespannt sein kann. Wir sind gerade unterwegs in die Tiefen des Schwarzwalds. Nach ein paar Kilometern auf der Zweispurigen, wird diese einspurig danke einer der unzähligen Sommerbaustellen, die den Autofahrer jedes Jahr zur Weißglut treiben. Ich glaube, dass unsere Stadt diese Baustellen absichtlich so konstruieren, dass der Autofahrer seinen Weg zur Arbeit oder sonst wo hin jeden Tag neu planen muss. Unter zwei Umleitungen komme ich nämlich nie mein an mein gestecktes Ziel. „Das hält unseren Orientierungssinn frisch und wir entdecken neue Wege.“ Beruhigt mich Heidi. Ich sollte mich darüber freuen, dass unsere Straßen repariert werden. Jedoch merke ich spätestens beim Reißverschlussverfahren, dass einige unter uns das Einfädeln eher als Klettverschlussverfahren umsetzen. Aber was soll´s. Ich bleibe entspannt und ziehe auf die linke Spur, fahre an der Schlange vorbei, um ganz vorne einzufädeln. Und prompt ernte ich zwei Stinkefinger und lautes Hupen aus einem SUV. Die beste Art auf einen Stinkefinger zu reagieren ist übrigens das Peace Zeichen, welches wir mit einem netten Lächeln dem SUV entgegnen. Damit rechnet niemand, auch der SUV nicht. Er bremst und wir können ganz entspannt vor ihm in die Schlange einfädeln. Wenn ich etwas Sache von meiner Frau gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass wir mit unerwarteten Reaktionen die zwischenmenschliche Kommunikation positiv beeinflussen können. Auf deutschen Straßen herrscht Krieg. Genau deshalb zücken Heidi und ich gerne die Friedensflagge und lassen auch mal andere vor, obwohl wir Vorfahrt haben. Warum pochen so viele Autofahrer auf Ihr Recht als Erster fahren zu wollen. Man nimmt Dir nur die Vorfahrt, nicht dein Auto. Wer einmal in Südamerika Auto gefahren ist, weiß, dass auch durch einfache Verständigung durchs Autofenster, einige Missverständnisse vermieden werden können. 

Wir sind nun endlich auf den kurvenreichen Straßen des Schwarzwalds angekommen. Und schon hören wir die ersten die Wutautofahrer, hupend hinter einem Rennradfahrer den steilen Berg hinaufschleichend. Dabei kann der arme Rennradfahrer nichts dafür, sondern die Straße ist einfach zu kurvig, um zu überholen. Wir sind Meister in Schuldzuweisungen beim Autofahren, dabei ist es oft nur die Straße, die unsere Fahrt bremst. Wie wäre es stattdessen bei jeder Kurve wie in der Achterbahn lauthals einfach mal „Huuiiiii“ zu rufen. Ich bin mir sicher, dass das die Stimmung in Sekunden hebt. Wo sind die Autogeräusche geblieben, die wir als kleine Kinder immer mit den Spielzeugautos von uns gegeben haben? Das können wir immer noch als Erwachsene. Probiert es einfach mal aus, aber lasst vielleicht die Scheibe dabei zu. 

Heidi beginnt manchmal während der Fahrt wichtiges Gespräch mit mir, weil sie weiß, dass ich während der Fahrt nicht flüchten kann. Also, liebe Damen, plant die nächste Diskussion über den Besuch beim schwedisch-blau-gelben Möbelhaus doch am besten während einer langen Autofahrt. 

Ich habe neulich auf dem Flohmarkt ein Blechschild gefunden einer alten Tankstellenwerbung, auf dem stand: „Nimm dir Zeit und nicht das Leben.“ 

Nutzen wir doch die Pausen, die uns das Leben schenkt und verlangsamen unsere Fahrt ein bisschen.