Elektrisiertes Schaulaufen im Wald

13. Juli 2019

 

Es ist Sonntagmorgen und ich habe mich mit Dennis verabredet. Wir wollen eine größere Mountain Bike Tour in den Schwarzwald machen. Haben uns am Donauradweg verabredet und während ich auf ihn warte, beobachte ich ein herrliches Schauspiel zweier Fahrradfahrer, die sich mit Dehnübungen aufwärmen. Neben Ihnen stehen 2 vollgefederte E-Mountainbikes. Ich frage Sie: „Wo soll´s denn hingehen?“ „Wir fahren auf dem Donauradweg nach Ulm.“ Antwortet der ältere Mann in hautenger Tour de France Rennkleidung. Meines Wissens gibt es auf dem Donauradweg so gut wie kein Gelände, bei dem ein vollgefedertes E-Mountainbike von Nutzen sein könnte. „Fahren Sie auch ab und zu ins Gelände damit?“ Frage ich, obwohl ich mir die Antwort schon denken kann. „Sind sie verrückt, das Rad hat 5000 € gekostet.“ Und ich bin froh, dass wenigstens dieser Mann mir im Wald nicht vor der Nase rumfährt, wie die unzähligen E-Mountainbiker, die denken, sie würden nun den Wald erobern, aber keinerlei Ahnung von Fahrtechnik oder Selbsteinschätzung haben. Man gibt dem Volk ein heiliges und elektrifiziertes Mountainbike und gaukelt ihm mobile Umweltfreundlichkeit vor. Unter der dieser Etikette lässt sich gerade jeder Schrott bestens verkaufen. Zerfurchte Böden und Wege in den Wäldern, weil sie es nie gelernt haben, eine Abfahrt richtig runterzubrettern. Bergauf aber freut sich der E-Mountainbiker, dass er den normalen Radfahrer, wie mich, endlich abziehen kann. Lächelnd sausen die Bierbauchträger ohne Helm an mir vorbei, während ich gerade im Intervalltraining pumpe, bis meine Waden brennen. Immerhin kenne ich die realistischen Grenzen meines Körpers und verschiebe sie nicht mit einem elektrischen Motor. Ich akzeptiere E-Bikes für Menschen, die diese Dinger wirklich brauchen und nutzen. Sei es altersbedingt oder gesundheitsfördernd. Mit dem E-Bike zur Arbeit fahren? Eine tolle Sache. Weniger Autos auf den Straßen. Fraglich ist für mich jedoch die Tatsache, dass innerhalb der letzten Jahre die E-Mountainbiker, die ins Gelände gehen, drastisch zugenommen haben. Somit wird der Erholungsort Wald zum Schaulauf elektrifizierter Technikfreaks. Höher, schneller, weiter. In diesem Moment biegt Dennis um die Ecke. Unter seinem Hintern ein Monster E-Mountainbike mit zehn Zentimeter dicken Reifen und Bordcomputer. Wir reden von mobilem Fortschritt und vergessen dabei, dass unser eigener Körper während dessen zurückschreitet. Wir verlernen unseren Körper zu kennen, ihm zuzuhören. Grenzen zu akzeptieren. Anstatt sich mit ihm zu beschäftigen, kaufen wir uns einfach mehr Akku und Reichweite. Und ich beschließe, meine nächste Fahrradtour mit einem alten Eingang-Hollandrad zu machen, um mir zu zeigen, was wirklich in meinem Körper steckt.