Ich glaube jeder von uns hat sie, sei es bewusst oder unbewusst: Rituale. Kleine Dinge, die man täglich oder wöchentlich wiederholt. Seit einigen Wochen habe ich mir ein neues Ritual angewöhnt, von dem ich zunächst ein wenig Angst hatte: Der Corona-Schnelltest.

Diverse Horrorgeschichten geisterten in meinem Bekanntenkreis herum, die von ewig langen Warteschlangen, mies gelaunten Sicherheitsmitarbeitern und überfüllten Industriehallen handeln. In meinem Kopfkino sehe ich Menschen mit gelben Ganzkörperschutzanzügen und Atemmasken. Ich stelle mir Kunststoffschleusen vor wie bei dem Film E.T. oder irgendeinem anderen Alien Blockbuster. Der Abtransport positiv getesteter Personen erfolgt durch das Corona-Sonder-Einsatz-Kommando, das sich aus Militärhubschraubern abseilt. Doch die Wirklichkeit ist viel unspektakulärer und sieht wie folgt aus:

Ich buche meinen ersten Testtermin und das ganz einfach online. Freitagmorgen 6 Uhr, also vor meinem wöchentlichen Wochenmarkteinkauf. Ich betrete die alte Postfiliale, die kurzerhand zum Mini-Testzentrum umfunktioniert wurde. Ich werde herzlich empfangen von einer jungen Mitarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes. Sie ist für diese Uhrzeit sehr gut gelaunt und trägt eine FFP2 Maske und ein Plexiglas Visier, sowie einen hauchdünnen, weißen Einweg Anzug über der gängigen Arbeitskleidung. Ich sehe auch keine Security Fachkräfte, keine Schleusen. Nur die DRK-Mitarbeiterin und ich. Als erstes werden meine Daten geprüft und Temperatur gemessen. 36 Grad, also im Normbereich. Es gibt zwei Testkabinen, die lediglich aus drei mobilen Bürowänden bestehen. Für die Privatsphäre gibt es vor jeder Kabine ein Paravent. Aufgeregt sitze ich auf dem Stuhl und fühle mich, wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal beim Zahnarzt ist. Etwas ängstlich erwarte ich das viel beschriebene Teststäbchen. Die Wahl des Nasenlochs steht einem sogar frei und so gleitet das Ding in die rechte Öffnung meines Zinken. Tiefer, immer tiefer. „Durch die Nase einatmen.“ Sagt sie mit beruhigender Stimme und wie von Zauberhand gleitet das Stäbchen ans Ziel.

Nach zehn Sekunden ist Alles vorbei und ein paar Tränen kullern meine Wangen herunter. Ich feiere meine Tapferkeit und nehme mir als Belohnung ein Bonbon aus dem Körbchen. Die 15-minütige Wartezeit ist alles andere als langweilig, denn ich kann wunderbar den Gesprächen der nach mir folgenden Testpersonen lauschen. Sie erzählen der jungen DRK-Mitarbeiterin sehr ausschweifend, warum sie sich testen lassen wollen. Ich persönlich habe ein neues Ritual entdeckt, das ich als sinnvollen Beitrag für unsere Gemeinschaft sehe. „Bis nächste Woche.“ Verabschiede ich mich mit einem negativen Ergebnis, aber einem sehr positiven Gefühl.