Das perfekte Bild

 

Heidi und ich begeben uns oft auf Wanderungen, auf welchen Wasserfälle sind. Denn ich liebe es Wasser zu fotografieren. Dabei ist es immens wichtig, dass ich für Heidi immer etwas zu Essen mit habe. Während ich fotografiere, kann Heidi dann genüsslich ihr Käsebrot essen. Ich beginne also das Stativ auszupacken, die Kamera drauf zu schrauben und einen geeigneten Ort für das Bild zu suchen. Jetzt noch scharf stellen, den Graufilter auf das Objektiv schrauben, die Belichtungszeit und Blende einstellen. In dieser Zeit hat sich ein weiterer Wandere zu uns gesellt und stellt sich direkt neben mich. Ich drücke den Auslöser. Der Wanderer pack sein Smartphone aus, hält drauf und mit einem künstlichen Knips-Ton ist er bereits fertig mit seinem Bild. Stolz hält er mir sein Bild vor die Nase, während meine Kamera noch mit der Langzeitbelichtung beschäftigt ist. Ich nehme sein Handy begeistert in die Hand, denn ich sehe einen wunderbaren, weich fließenden Wasserfall mit einer ausgeglichenen Belichtung, nahezu perfekt. Ich frage ihn, wie er die Verschlusszeit eingestellt hat. „Keine Ahnung.“ Antwortet er schulterzuckend. Auf der eine Seite vereinfachen diese Geräte unser Leben zwar ungemein, auf der anderen Seite droht uns der Verlust des Wissens, wie so ein Foto überhaupt entsteht. Und so sinniere ich weiter und wage zu behaupten, dass wir mit der zunehmenden Technisierung nicht mehr verstehen, was hinter einem Handwerk steckt. Was Fotografie zum Beispiel ist. Jede „App“ kann uns zu großen Bildkünstlern machen und doch wissen wir nicht, wieso. Wir verlernen mit der Zeit, Dinge zu hinterfragen. Wir nehmen es als selbstverständlich an. 

Mittlerweile ist meine Kamera fertig und ich freue mich, denn meine Fotografie kann auf jeden Fall mit dem Bild des Smartphones mithalten. Heidi hat bereits das dritte Käsebrot gegessen und ich freue mich trotz meiner 5 Kilo schweren Fotoausrüstung auf den nächsten Wasserfall.