Mein Corona Tagebuch – Streamingkonzerte

 

Vier Wochen Lockdown. Vier Wochen ohne einen einzigen Ton auf irgendeiner Bühne gespielt zu haben. Ich tröste mich weiterhin mit Sport. Sehr viel Sport. Daher bin ich richtig fit und somit auch klar im Kopf. Die tägliche Stunde an der frischen Luft lässt neue Impulse entstehen. Die ersten meiner Musikerkollegen, die in größeren Städten wie Mannheim, Köln oder Berlin leben haben begonnen, Streaming Konzerte zu geben. Das Thema ist mir nicht ganz fremd, denn seit einer Woche unterrichte ich meine Klavierschüler per Online Chat und finde dieses Medium gar nicht mal so schlecht. Klar, es fehlt der echte Kontakt zwischen Lehrer und Schüler, aber ich bin doch froh, zumindest hier Etwas zu tun zu haben. 

Ich habe mich entschieden, auch Streaming Konzerte zu geben. Es geht einfach nicht ohne Live zu spielen. Und schon komme ich an die erste Hürde, mit der ich nicht gerechnet habe. Webcams kaufen. Der Markt scheint absolut leergefegt zu sein und ich freue mich, dass wenigstens die Elektroindustrie durch Corona profitiert. Lang tagelangem Suchen ergattere ich glücklicherweise zwei völlig überteuerte Kameras, die mir bei meinem Vorhaben „Wünsch Dir was Wohnzimmerkonzert“ gute Dienste leisten sollen. Es ist Anfang April und ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich mich tagelang einlese würde in Themen wie Streamingschlüssel, Zerfalls- und Videobitrate. 

Endlich ist der Tag da und ich bin seit den frühen Morgenstunden damit beschäftigt, unser Wohnzimmer in ein Filmstudio umzubauen, einzuleuchten, Kameras zu platzieren und das Regie Programm zu verstehen. Es werden Szenen programmiert, Grafiken erstellt und natürlich höre ich mir die Lieder an, die sich das Publikum über Facebook gewünscht hat. Obwohl mir bewusst ist, dass wir in ein paar Stunden ohne echtes Publikum spielen werden, habe ich Lampenfieber. Auch wegen des schlechten Internet Empfangs in unserer Straße, die leider noch klein Glasfaser hat.

Ich bin äußerst froh, dass sich Tommy dazu bereit erklärt hat, mit mir dieses erste Konzert zu spielen. Da sich alles in unserer Wohnung abspielt, hat Heidi auch keine Wahl als die Regie zu übernehmen und hinter dem Bildschirm zu sitzen, um Szenen und Kameras zu wechseln. Mit ausreichend Abstand natürlich. Sie ist auch die einzige, die applaudiert. Während unseres Konzertes liest sie uns beiden die Kommentare der Zuhörer vor und wir sind erstaunt wie viele Menschen online sind. 

Sogar in Irland, wo seit einigen Wochen eine Ausgangsperre verhängt wurde, sitzen Freunde anstatt im Pub in ihrem Wohnzimmer und genießen unsere Musik.

Während des ganzen Konzertes wir mir bewusst, dass die Corona Krise, welche in mir anfänglich Existenzängste hervorgerufen hatte, auch neue Ideen und Konzepte entstehen lassen kann. Es liegt an uns, was wir aus dieser Situation machen. 

Das Konzert ist zu Ende, das Wohnzimmer leer. Ich sitze auf dem Sofa mit einem Glas Wein und lese die unzähligen Kommentare der Zuschauer und merke, dass Kultur auch virtuell funktionieren kann. Und so treffe ich die Entscheidung, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und abzuwarten bis Alles vorbei ist. Fortsetzung folgt…