Ihr kann man unweigerlich nicht entgehen, wenn man wie ich mitten im Stadtkern wohnt und sich keinen überteuerten Skiurlaub leisten möchte. Die fünfte Jahreszeit. Oder wie man bei uns zu sagen pflegt: Fasnet.
Wie jedes Jahr wagt sich dieses Fest auf die Gradwanderung zwischen Brauchtum und Massenbesäufnis. Historisch gesehen ist es durchaus zu nachvollziehbar, dass wir uns in dieser Zeit der Völlerei und Trinkerei hingeben, denn ursprünglich ist die Fasnacht ja die Vorbereitung auf die Fastenzeit. Jetzt dürfen wir nochmal richtig ran und ein Schorle nach dem anderen kippen. Wir stopfen uns voll mit Berlinern und Sauren Kutteln, bevor es wieder nur Gemüse und Wasser gibt.
Hätte mir damals in den 90ern jemand gesagt, dass die Fasnacht auf das Christentum zurückgeht, hätte ich mich als Jugendlicher vielleicht nicht diesem Fest hingegeben und die ersten Kontakte mit Alkohol gehabt. Damals war Alles, was mit Kirche
zu tun hat, nämlich total uncool. Dennoch schwanken auch heute junge Erwachsene mit einer Flasche Wodka bewaffnet grölend durch die Straßen, meist in einfallslosen Kostümen. Sie lummern auf den Parkbänken, immer bereit, Passanten anzupöbeln. Und man kann Ihnen nicht mal einen Vorwurf machen, denn Mama und Papa tun gerade das Gleiche. Nur eben mit Schorle und Pils. Zwei Zutaten, welche vielleicht sogar dafür gesorgt haben, dass vor 13 Jahren der Sohnemann an Fasnacht gezeugt wurde.
Aber vergessen wir in dieser närrischen Zeit nicht die Tradition, die sich Gott sei Dank bis heute durchsetzt. Es ist „Schmotziger“. Es ist zirka fünf Uhr morgens und ich liege noch im warmen Bett. Vom Weiten erklingt Blasmusik und Getrommel. Gänsehaut durchzieht mich, wenn die Stadtkapelle „Hans blieb do“ aufspielt und direkt an unserem Fenster vorbei wankt. Am liebsten würde ich jetzt aufspringen und mit durch die Stadt ziehen. Als ich das einem Musikerkollegen aus Hamburg erzählt habe, konnte er nur mit dem Kopf schütteln. Wenn man als Klein-Kind schon mit der schwäbisch-alemannischen Fasnacht auswächst, wird man sie wohl nicht mehr los. Es ist irgendwo im Blut ein Gen versteckt, dass einmal im Jahr mit einem „Narri Narro“ geweckt wird. Auch wenn es zu einer unchristlichen Uhrzeit ist. Es sei denn, ich verreise. Dann schläft es weiter bis zur nächsten Fasnacht, bei der ich im Ländle bleibe und mit anderen Narren und Närrinnen versuche den Winter auszutreiben. Denn eines bringt die fünfte Jahreszeit auch mit sich: Hier sind alle gleich. Mann und Frau egal aus welcher Sparte oder Schicht sitzen gemeinsam am langen Biertisch und schunkeln was das Zeug hält. „Die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt und der Sklave an seines Herrn Seite. Die Mächtige und der Niedere sind gleichgeachtet.“ so eine Inschrift, die vor 5000 Jahren bereits als Vorläufer der fünften Jahreszeit angeführt wird (steht zumindest auf Wikipedia). Ich würde mir wünschen, dass dies öfters im Jahr seine Anwendung finden würde und nicht nur an Fasnacht.
Es scheint so und so für manche Menschen die einzige Zeit zu sein, sich fröhlich und ausgelassen zu geben. Ein Umstand, der mir in einer Zeit von Depression und Unzufriedenheit zunehmend Sorgen macht. Schon fast scheinheilig mutieren manche Wutbürger plötzlich zu fröhlichen Narren, die kein Wässerchen trüben können. Und somit werde ich diese Kolumne damit abschließen, dass ich mir wünsche, jeden Tag im Jahr ein bisschen Fasnacht zu leben. Mit Ausnahme des Alkohols und der Völlerei natürlich. Denn es gibt keine bessere Therapie gegen das Negative, als einmal am Tag ein bisschen närrisch zu sein. In diesem Sinne wünsche ich Allen eine glückselige Fasnet!