Ich möchte Euch von einer Situation erzählen, die sinnbildlich für einen von mir empfundenen Zustand steht. Ich fahre in meinem Auto auf einen Kreisverkehr zu und halte, weil von links ein anderes Auto kommt. Rechts von mir ist ein Fahrradweg, auf dem sich ein älterer Mann mit einem elektrifizierten Stadtfahrrad nähert und die Straße überqueren möchte. Er muss wegen mir aber abrupt bremsen und absteigen. Sein lautstarker Kraftausdruck, den ich hier lieber weglasse, ist unüberhörbar und gilt natürlich meiner Wenigkeit. Sofort schaue ich mich um, ob ich irgendetwas falsch gemacht habe. Schnell begreife ich, dass ich mich absolut korrekt verhalten habe, denn ich sehe das kleine „Vorfahrtgewehren“ Schild auf dem Radweg. Ich hadere mit mir, ob ich aussteigen soll, um mich nach dem Problem des Mannes zu erkundigen. Doch dieser hat hinter meinem Wagen die Straße bereits überquert und sich aus dem Staub gemacht. Dies ist nur einer von vielen Momenten, der mir in den letzten Monaten widerfahren ist, bei welchen ich den Eindruck bekomme, dass Menschen, die einen Fehler begehen, erst mal jemanden anderen beschuldigen. Es scheint, als würden die meisten von uns verlernt haben, einen Fehler zuzugeben.

Ich möchte mich da auch gar nicht rausnehmen. Auch ich bin gerne auf der Rechthaber Seite unterwegs und merke dabei nicht, wie ich mich schleichend von meinem Gesprächspartner entferne. Aus einem Miteinander wird schnell ein Gegeneinander, was zur Folge hat, dass zwischenmenschliche Fronten entstehen und im schlimmsten Fall sogar verhärten. Die vehemente Überzeugung Recht zu haben, impliziert, dass der oder die Andere Unrecht hat. Dabei stellt sich mir die Frage, was kann denn Schlimmes passieren, wenn ich sage: „Du hast Recht. Da habe ich mich wohl geirrt.“ Nichts. Im Gegenteil. Einen Fehler zuzugeben, wird mein Gegenüber zunächst überraschen. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird er oder sie es sogar positiv bewerten, denn sobald ich zugebe, mich zu irren, öffne ich mich meinem Mitmenschen. Und was kann es Schöneres geben als ein offenes Gespräch? 

Wer kennt das berühmte Zitat von Cicero nicht: „Irren ist menschlich.“ Sei es unter Freunden, Fremden, in Partnerschaften oder bei der Arbeit. Ja auch in der Politik kann ein zugegebener Irrtum den oder die Politiker*in menschlicher erscheinen lassen. Vergessen wir bitte nicht, wie das Zitat weitergeht: „Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch.“ Deshalb wird meine neue Devise in Zukunft sein, meinen Standpunkt schnell zu reflektieren und des Öfteren zu revidieren. Und so schließe ich diese Kolumne mit einem Satz ab, den ich von nun an benutzen werde: „Sorry, mein Fehler.“