Mein täglicher Gang nach dem Aufstehen in den Garten führt mich und eine Tasse starken Kaffee zu unserem kleinen Gartenhäuschen, in dem ich das Vogelfutter lagere. Seit einem Jahr besitze ich zwei Futterstellen zur Freude aller gefiederten Mitbewohner unseres Gartens. Doch seit geraumer Zeit habe bereits beim ersten Schritt nach Draußen ein seltsames, mulmiges Gefühl. Ich spüre, dass ich beobachtet werde. Als würden hunderte Knopfaugen auf mich starren und auf die feinen Sonnenblumenkerne warten. Lautlos werde ich von einer Amsel verfolgt, die den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern penibel genau einhält. Im Ahorn sitzen pummelige Blaumeisen, beobachten meinen Gang und tratschen mich voll, als würden Sie mir die Warnung mit auf den Weg geben: „Sei bloß nicht so sparsam mit dem Futter, sonst scheißen wir dir in die Kaffeetasse!“ Wie zwei Türsteher sitzen rechts und links vor dem Gartenhäuschen dicke Drosseln und mustern mich von allen Seiten. Sicher wollen die zwei mich bedrohen, damit ich den 3-stelligen Code des Schlosses unseres Gartenhäuschens verrate. Wie wenn man in der Schule den Nachbarn nicht abschreiben lässt, halte ich meine Hand über das Schloss, während ich die Drehregler auf 2-3-9 stelle. Sesam öffne dich. Während ich mich nach dem Eimer mit Futter bücke, fühlt es sich so an, als versammelten sich alle Vögel hinter meinen Rücken. Ich drehe mich um. Totenstille. Kein Tier zu sehen. Doch der Schein trügt. Wie den heiligen Gral trage ich den Eimer mit feinstem Vogelfutter zum Vogelhäuschen. Von hoch oben werde ich von einem Eichhörnchen angegiftet, als würde es sagen: „Alter, rück endlich die Nüsse raus! Ich hab` Kohldampf!“

Dieses Eichhörnchen ist mir eigentlich sehr sympathisch, denn es hat neben rotbraunem Fell auch viele graue Strähnen, wie ich. Wir sind somit quasi Homies.  Zu der Schimpferei meines George Clooney Hörnchens gesellt sich nun noch ein Rabe hinzu, der in perfekter Martin Semmelrogge Manier vor sich hin krächzt mit der Hoffnung auf ein Stück altes, trockenes Brot. Nachdem ich das Futter im Vogelhaus platziert habe, schleiche ich mich rückwärts davon. Einige Minuten später dann ist es wieder so weit. Von Weitem höre ich das Gezwitscher des Spatzen-Sondereinsatzkommandos. Das S.W.A.T. Team unseres Gartens. Oder sollte ich eher sagen, des Residenzviertels. Wie eine Heuschrecken Attacke fallen die dicken und runden Spatzen über die frisch aufgelegten Körner her, als würde morgen eine neue Eiszeit beginnen. 

Bevor ich die hängende Futterstelle befülle, bemerke ich, wie sich eine kleine, braune Fellhand durch das Gebüsch nach dem Behälter streckt, der wie eine Haselnuss aussieht und mit Futter gefüllt ist. Mein Ninja-Hörnchen ist wieder da. Das zweite Eichhörnchen, das sich seltener blicken lässt. Ich nenne es so, weil es jedes meiner Nussverstecke entdeckt und sogar an die hängende Futterstelle kommt. Wie bei Cliffhanger, mit einer Hand, hängt es dann da und schaukelt hin und her bis es sich mit allen Vieren festkrallt und zu futtern beginnt. 
Leise schleiche ich mich wieder ins Haus und freue mich über unseren Garten, der trotz seiner Innenstadtlage voller Leben ist und mich jeden Morgen ein wenig an den Film Jurassic Park erinnert.